
Münchner Sicherheitskonferenz Steinmeier wirft Großmächten Egoismus vor
Stand: 14.02.2020 19:42 Uhr
Wiedersehen auf der Münchner Sicherheitskonferenz: Der frühere Außenminister Steinmeier kehrt als Bundespräsident auf die große weltpolitische Bühne zurück. Seine Bestandsaufnahme fällt düster aus.
Von Christoph Prössl, NDR, zzt. München
Sechs Jahre ist es her, da stand Frank-Walter Steinmeier am selben Ort, auf der Bühne der Münchner Sicherheitskonferenz. Damals war der SPD-Politiker Außenminister und formulierte in seiner Rede, Deutschland müsse bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einbringen. Ganz ähnlich sagte es 2014 der damalige Bundespräsident Joachim Gauck. Ein abgestimmter Vorstoß, auch Deutschlands militärische Verantwortung anzumahnen.
Die Welt sei damals eine andere gewesen, betonte Steinmeier heute in seiner Eröffnungsrede zur Münchner Sicherheitskonferenz. Es müsse tief beunruhigen, was im 75. Jahr des Kriegsendes für alle sichtbar werde: "Dass die Institutionen und Autoritäten, die uns helfen, unsere verschiedenen Traditionen Interessen und Prioritäten zu überbrücken und in tragfähige Kompromisse zu übersetzen, mutwillig geschwächt werden". Es geht längst nicht mehr um Militäreinsätze und Beiträge zur NATO, sondern um die eigene Identität des Westens und das Vermögen, außenpolitisch zu gestalten.
Ein düsteres Bild
Steinmeier listete auf, was ihn zu dieser Einschätzung bringt. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sei in zentralen Fragen blockiert. Vereinbarte und ratifizierte Abkommen würden gekündigt. Steinmeier meint den Iran-Deal, nennt US-Präsident Donald Trump an dieser Stelle seiner Rede nicht.
Es ist ein düsteres Bild, das Steinmeier von der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene zeichnet. "Wir werden Zeugen einer zunehmend destruktiven Dynamik der Weltpolitik. Vom Ziel internationaler Zusammenarbeit zur Schaffung einer friedlicheren Welt entfernen wir uns von Jahr zu Jahr weiter". Viele Länder, die unter dem Begriff "der Westen" als Staatengemeinschaft gemeinsame Ziele umsetzen wollten, zögen sich auf eng verstandene nationale Interessen zurück. "Westlessness" nennt das der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Ein Kunstbegriff, den er provokativ ins Programm der Konferenz geschrieben hat. Das Wort ist schwer zu übersetzen, am ehesten mit Abwesenheit des Westens oder Niedergang des Westens.
Münchner Sicherheitskonferenz: Steinmeier beklagt Egoismus der Großmächte
tagesthemen 21:45 Uhr, 14.02.2020, Stephan Stuchlik, ARD Berlin
Kritik an den USA, Russland und China
Steinmeier kritisierte die USA aber auch Russland und China. Russland habe die gewaltsame Verschiebung von Grenzen auf dem europäischen Kontinent wieder zum Mittel der Politik gemacht. China akzeptiere das Völkerrecht nur selektiv.
Die Debatte um Multilateralismus und die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen prägte auch die Diskussionsrunden. Justin Trudeau, Premierminister von Kanada, bewertete die Debatte nüchterner: "Die Lösungen, die Staats- und Regierungschefs auf Treffen wie der Sicherheitskonferenz besprächen, könnten vielleicht Spannungen eindämmen, neue Möglichkeiten für Verhandlungen eröffnen. Aber Fakt ist, dass für viel zu viele Menschen Multilateralismus nicht den Wandel herbeiführt, den sie erwarten."
Markus Kaim, Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte, mit Einschätzungen zur weltweiten Sicherheitslage
tagesschau24 16:00 Uhr, 14.02.2020
Maas lobt deutsches Engagement
Außenminister Heiko Maas sagte, die internationale Zusammenarbeit stecke seit Jahren in einer beispiellosen Rezession. Maas forderte eine Debatte über die transatlantische Partnerschaft. Nicht maximale Disruption sondern schonungslose Diskussion würden weiter helfen. "Westlessness" würde vor allem in den Krisen vor der Haustür der Europäer spürbar.
Doch Europa tut seiner Ansicht nach bereits mehr. Deutschland wolle sein Engagement im Irak fortsetzen. Die Bundeswehr bildet dort irakische Soldaten aus. Maas verwies auf die Verhandlungen zur Zukunft in Libyen, die von den Europäern ausgegangen sei. Nirgendwo sonst als in der Sahelzone seien Deutschland und Europa stärker engagiert. Deutschland alleine habe drei Milliarden Euro in die Stabilität der Region investiert.
Zurückhaltender äußerte sich Konferenzleiter Ischinger vor dem Beginn der Tagung. Die Fortschritte seit 2014 seien eher "politisch-philosophischer Art".
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