
Scholz zur SPD-Kanzlerkandidatur "Ich will gewinnen"
Stand: 10.08.2020 17:01 Uhr
Seine Nominierung zum Kanzlerkandidaten sei eine große Verpflichtung, sagt Vizekanzler Scholz. Die SPD-Spitze setzt auf seine Führungserfahrung und Krisenerprobtheit. Andere Parteien sehen die Personalie skeptisch.
Es war ein einhelliges Votum: Der Vorstand und das Präsidium der SPD haben Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten der Partei für die Bundestagswahl nominiert - einstimmig. Damit ist eine Bestätigung auf einem Parteitag nicht mehr nötig. Die SPD ist nun die erste im Bundestag vertretene Partei mit einem Kanzlerkandidaten für die Wahl im kommenden Jahr.
Krisenmanager mit Führungserfahrung
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz und ihrem Co-Parteichef Norbert Walter-Borjans sagte die Vorsitzende Saskia Esken, man habe "praktische Führungserfahrung in der Regierung, Krisenerprobtheit und Zukunftsideen" zusammenbringen wollen.
Scholz habe sich als Krisenmanager der Bundesregierung in der Corona-Krise bewiesen. "Olaf Scholz genießt hohes Ansehen in der Bevölkerung, aber auch in der Partei", sagte Walter-Borjans. Scholz könne und wolle für eine sozialdemokratische Politik kämpfen, sagte Esken.
Scholz selbst sagte, die Nominierung sei eine große Verpflichtung und machte sogleich seinen Anspruch klar: "Ich will gewinnen." Ziel sei es, die nächste Regierung zu führen. "Wir trauen uns zu, dass wir mit deutlich über 20 Prozent abschneiden werden."
Finanzminister Scholz wird Kanzlerkandidat der SPD
tagesschau 20:00 Uhr, 10.08.2020, Moritz Rödle, ARD Berlin
Über die Zeit nach Corona nachdenken
Zwar habe der Wahlkampf noch nicht begonnen und die SPD in der Großen Koalition noch viel zu tun, doch sei es an der Zeit, sich Gedanken zu machen, wie es weitergehe in Deutschland nach der Corona-Krise, so Scholz.
Seine Partei arbeite an einem Zukunftsprogramm, das besonders den Klimawandel und die Digitalisierung in den Blick nehme. Wichtig seien zudem die Themen Europa und der Respekt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wichtige Berufe ausübten, aber nicht viel Löhne und Gehälter erhielten.
Signal der Geschlossenheit
Sowohl Scholz als auch Walter-Borjans und Esken betonten, wie wichtig nun Geschlossenheit für die SPD sei. Der Vizekanzler wertete es deshalb als gutes Zeichen, dass die Pläne für seine Kandidatur nicht im Vorhinein bekannt geworden seien. Man habe sich des Öfteren gewundert: "Hat das noch keiner mitgekriegt?"
Stirnrunzeln innerhalb der Partei ...
Die Nominierung von Scholz ist in der Partei nicht unumstritten. So sagte die Parteilinke Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis der "Augsburger Allgemeinen", sie könne die Entscheidung nicht nachvollziehen. "Das Rezept der vergangenen Jahre, im Milieu der konservativen und liberalen Wähler zu fischen, wird auch dieses Mal nicht aufgehen." Auch Esken und Walter-Borjans galten lange als Gegner von Scholz, setzten sich im vergangenen Jahr bei der Wahl des Parteivorsitzenden auch gegen ihn durch.
... und außerhalb
Auch Vertreter anderer Parteien sehen Widersprüche. Der FDP-Chef Christian Lindner nannte die SPD-Strategie "rätselhaft". "Gestern Koalitionsangebot an die Linke und grünes Licht für Kanzler Habeck - heute wird mit Olaf Scholz ein Kanzlerkandidat aus dem eher rechten Spektrum der Partei benannt", twitterte er.
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, deutete Zweifel an, ob Scholz der richtige Kandidat sei. Am Wochenende habe es von der SPD-Führung Ansagen zur Abschaffung des Hartz-IV-Systems sowie zu höheren Steuern für Reiche gegeben. "Das sind alles Dinge, die in die richtige Richtung gehen", sagt Riexinger. "Ich bin hochgespannt, ob Olaf Scholz in die gleiche Richtung geht."
AfD-Chef Jörg Meuthen bezeichnet Scholz gar als "Trojanisches Pferd". Scholz solle wohl "als hanseatischer SPD-Kanzlerkandidat bürgerliche Stimmen für die dunkelrote Esken-Borjans-Kühnert-SPD einsammeln". Die Wähler seien aber in der Lage, dieses Manöver zu durchschauen.
CDU: "Für Wahlkampf ist jetzt nicht die Zeit"
Die CDU-Spitze will offiziell keine Stellungnahme abgeben. In einem internen Schreiben von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak heißt es laut der Nachrichtenagentur Reuters allerdings, dass man sich mehr als ein Jahr vor der Wahl auf die Regierungsarbeit konzentrieren wolle. "Dabei ist eine vernünftige Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner wichtig. Für Wahlkampf ist jetzt nicht die Zeit", schreibt Ziemiak.
Deutlich kritischere Töne kommen von der CSU. Dass die SPD zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Wahlkampf beginne, sei "verheerend" für die weitere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, sagt Parteichef Markus Söder. Statt Wahlkampf müsse jetzt die Bekämpfung der Corona-Pandemie im Vordergrund stehen.
Auch der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck sprach von einem "nicht ganz glücklichen Zeitpunkt". Man lasse sich davon nicht unter Zugzwang setzen. Die zweite Corona-Welle, Hitzewellen und Klimakrise, der Wirecard-Skandal und die Lage in der EU seien immense politische Herausforderungen. "Es ist viel zu früh für Wahlkampf", so Habeck.
Scholz in Umfragen beliebt
Der Finanzminister ist bei der Bevölkerung Umfragen zufolge der beliebteste SPD-Politiker und hatte sich in der Corona-Krise mit beherztem Handeln profiliert. Zuletzt hatten sich vor allem Mitglieder der Bundestagsfraktion und andere SPD-Minister für ihn als Kanzlerkandidaten ausgesprochen. Im jüngsten DeutschlandTrend kam die SPD allerdings nur auf 15 Prozent und lag damit hinter der Union und den Grünen.
Sommerloch und Überraschungseffekt genutzt
Die SPD wolle mit der frühen und überraschenden Nominierung ihres Kanzlerkandidaten das Sommerloch nutzen, vermutet Moritz Rödle aus dem ARD-Hauptstadtstudio. Vor etwa vier Wochen sei der Plan in der Parteispitze geschmiedet worden.
Die Partei sehe mit Scholz nun die Chance, in den Umfragen aufzuholen und wieder stärker zu werden als die derzeit besser dastehenden Grünen.
Moritz Rödle, ARD Berlin, über die Nominierung von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten
tagesschau24 15:00 Uhr, 10.08.2020
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