
SPD will Parteiausschluss Neue Runde im Endlos-Streit um Sarrazin
Stand: 31.07.2020 07:41 Uhr
Die SPD versucht seit Jahren, den Ex-Berliner Finanzsenator Sarrazin aus der Partei zu werfen. Grund sind seine islamfeindlichen Aussagen. Heute berät die Bundesschiedskommission über die Causa Sarrazin.
Von Barbara Kostolnik, ARD-Hauptstadtstudio Berlin
Gegen den Strich der Partei bürstete der Volkswirt und ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin schon länger: Als der SPD-Vorsitzende Kurt Beck 2008 vorschlug, Managergehälter zu begrenzen, erntete er allgemeines Lob aus seiner Partei - und einen bissigen Kommentar vom Finanzexperten Sarrazin: "Das ist klassische Symbolpolitik, weil es gar nichts bringt." Als "lustige Nummer" verspottete Sarrazin den Beckschen Vorstoß.
Es blieb nicht bei dem einen Querschuss, wobei die SPD Querdenker in den eigenen Reihen durchaus duldet. Wie etwa den ehemaligen Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, der übrigens auch vor Parallelgesellschaften warnte.
Moritz Rödle, ARD Berlin, zum aktuellen Stand des SPD-Verfahrens gegen Sarrazin
tagesschau 14:00 Uhr, 31.07.2020
Sarrazin aber begann irgendwann, sich am Thema Migration festzubeißen. Mit "Deutschland schafft sich ab" schrieb er einen Bestseller, weitere ähnliche Bücher folgten. Er spricht von "politischen Sachbüchern". Tenor: Die einheimische Bevölkerung wird langsam ausgetauscht und durch nicht-einheimische, meist muslimische ersetzt. Das sind Thesen, die man auch bei dem rechtsextremen französischen Vordenker Renaud Camus findet.
"Rassistische Thesen"
Nach Ansicht von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil benutzt Sarrazin "rassistische Thesen" in seinen Büchern. Konkret meint Klingbeil das 2018 erschienene Buch "Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht".
Hohe Hürden für Parteiausschluss
Nachdem 2009 ein erster Versuch auf Kreis-Ebene gescheitert war, Sarrazin loszuwerden, beschloss man in der SPD-Spitze 2010, es sei "Schluss mit lustig". Sigmar Gabriel sagte dazu: "Man darf in Deutschland auch als Sozialdemokrat über misslungene Integration reden, man muss das sogar. Was man allerdings nicht darf, ist, dass man genetische Dispositionen als vererbbar im Rahmen der Intelligenzdebatte und der Bildungsfähigkeit diskutieren darf."
Dass ein Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin nicht einfach werden würde, schwante dem damaligen SPD-Chef bereits im Sommer 2010: "Der prüft jeden Satz, ob er Anlass bietet, ihn aus der Partei zu schmeißen."
"Rückkehr in mittelalterliche Zeiten"
Gabriel ist mittlerweile nicht mehr SPD-Vorsitzender, Sarrazin nach zwei gescheiterten Parteiausschlussverfahren aber immer noch in der SPD. Er gibt die verfolgte Unschuld, stellt sich als Märtyrer der Meinungsfreiheit im Klammergriff einer sozialdemokratischen Inquisition dar. All dies sei "an sich eine Rückkehr in mittelalterliche Zeiten wie bei Galileo Galilei. Damals durfte auch nicht das wahr sein, was wahr ist", formulierte Sarrazin.
Finale vor dem Bundesverfassungsgericht?
Warum tritt er nicht einfach aus der Partei aus, wenn die ihn doch nicht mehr haben will, weil er ihrer Meinung nach gegen die sozialdemokratischen Grundwerte verstößt? Es mag an Sturheit liegen oder auch an der Lust an der Provokation. Öffentlich jedenfalls sagt er, er wolle bleiben, "auch deshalb, weil diese Fragen in die großen Volksparteien gehören, wo sie diskutiert und abgewogen werden müssen".
Ein Nebeneffekt für Sarrazin: Um Werbung für seine Bücher muss er sich keine Gedanken machen, solange er mit der SPD im Clinch und damit in den Schlagzeilen bleibt. Und selbst wenn die Bundesschiedskommission der SPD seinen Ausschluss verkündet, kann Sarrazin immer noch vor einem Zivilgericht klagen. Er selbst kündigte über seinen Anwalt bereits an, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
SPD will Sarrazin endgültig loswerden
Barbara Kostolnik, ARD Berlin
31.07.2020 07:13 Uhr
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