
Soziales Netzwerk aus China TikTok im Klassenzimmer
Stand: 26.02.2019 11:00 Uhr
TikTok könnte das erste weltweit genutzte soziale Netzwerk werden. Vor allem junge Nutzer teilen mit der App aus China Kurzvideos. Datenschützer sind besorgt.
Von Barbara Jung, Jennifer Lange und Konstanze Nastarowitz, NDR
Von Weitem sieht es aus wie Pantomime: Wenn Falco Punch sein Smartphone anpustet, fliegt auf dem Display Glitzer aus seinem Mund. Mit einer Handbewegung verlangsamt und beschleunigt er einen virtuellen Regen. Kurze Musikvideos dieser Art - produziert und veröffentlicht in der App TikTok - haben den Schleswig-Holsteiner weltweit bekannt gemacht. Mehr als fünf Millionen folgen dem 23-Jährigen, damit ist er die Nummer zwei der TikTok-Stars in Deutschland.
TikTok ist manchen noch besser bekannt unter dem Namen Musical.ly. Der Kurzvideo-Dienst wurde vor sieben Monaten vom chinesischen Unternehmen Bytedance aufgekauft, dem derzeit wertvollsten Startup der Welt. Bytedance setzt vor allem auf künstliche Intelligenz, ganz im Sinne des chinesischen Staates, der sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 zur globalen Nummer eins in diesem Bereich aufsteigen zu wollen. Daten sind der Treibstoff der selbstlernenden Algorithmen.
TikTok - Selbstinszenierung per chinesischer App
tagesthemen 22:15 Uhr, 25.02.2019, B. Jung/K. Nastarowitz, NDR
Wer kommt an die Daten heran?
Miriam Ruhenstroth von der Initiative "mobilsicher.de" in Berlin hat sich die chinesische App TikTok genauer angesehen. Eine Software auf ihrem Computer wertet aus, an welche Unternehmen Daten weitergeleitet werden. Darunter ist unter anderem die Firma Umeng, eine chinesische Analysefirma mit Sitz in Peking, die zum chinesischen Tech-Giganten Alibaba gehört. Miriam Ruhenstroth findet es problematisch, dass man im Falle Chinas so gar nicht wisse, wie dort mit Daten umgegangen wird und inwieweit staatliche Stellen darauf Zugriff haben.
Diese Sorge teilt der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. Die Behandlung der Daten in Ländern wie China entspreche nicht den europäischen Standards, so der Datenschützer. Was ihn darüber hinaus umtreibt: China setzt Daten der eigenen Bürger unter anderem für den Aufbau eines sogenannten "Sozialkredit-Systems" ein. Dafür werde in dem autoritären Staat zum Beispiel die Gesichtserkennung genutzt. Aus den gesammelten Informationen ergibt sich ein Score-Wert, ein Punktekonto, das zum Beispiel darüber entscheide, ob man einen Flug antreten dürfe oder das Kind den Platz in der gewünschten Schule bekomme.
Kelber zieht einen Vergleich zu Deutschland: "Stellen Sie sich einmal vor, die Flensburger Verkehrssünderdatei und das Schufa-Scoring werden auf alle Aspekte ihres Lebens angewendet und in einem Wert zusammengefasst, der ihren Rangwert in der Gesellschaft ausmacht und alles, was sie erreichen wollen, ist von diesem Wert abhängig." Für den Datenschützer eine "Horrorvorstellung".
Zwei Dienste - zusammen 500 Millionen Nutzer
Was TikTok von anderen sozialen Netzwerken unterscheidet: Während große amerikanische Netzwerke wie Facebook, Instagram, Twitter und WhatsApp in China verboten sind, könnte TikTok das erste weltumspannende soziale Netzwerk werden. Denn zu Bytedance gehört nicht nur TikTok, sondern auch das chinesische Pendant Douyin. Noch ist das Videoangebot der beiden Netzwerke voneinander getrennt. Doch gerechnet wird bereits zusammen: Nach Angaben des chinesischen Unternehmens soll es weltweit bereits 500 Millionen aktive TikTok- und Douyin-Nutzer pro Monat geben.
Hinsichtlich der Sicherheit der Daten deutscher Nutzer verweist TikTok auf seine Datenschutzerklärung. Das Unternehmen verpflichtet sich darin, die Informationen und die Privatsphäre der Nutzer zu schützen: Man habe Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit und den Schutz der Daten zu gewährleisten. In der Datenschutzerklärung heißt es aber auch: Die Übertragung der Daten erfolge letztlich auf eigenes Risiko.
Sven Wiesner, Beirat Social Media Week, zu den Ängsten der User und möglicher Schutzmaßnahmen
tagesschau24, 26.02.2019
Nutzungsrechte für alle weltweit
TikTok-Nutzer Falco Punch kennt die Nutzungsbedingungen. Er weiß, dass sowohl jeder TikTok-Nutzer weltweit als auch TikTok selbst seine Videos verwenden dürfen, auch zu Werbezwecken. Das Netzwerk macht ihm aber sehr viel Spaß und er ist erfolgreich. Dafür nimmt er den digitalen Fußabdruck in Kauf.
Jedoch wägt er im Austausch mit seinen Eltern, seiner Freundin und seinem Management genau ab, wie viel er von sich preisgibt. Den Eltern von jungen TikTok-Nutzern rät er, sich mehr für die Apps ihrer Kinder zu interessieren: "Die Eltern gehen ja auch in die Schule der Kinder und schauen sich dort alles genau an".
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