
Bundestag gedenkt Oppermann "Gestalter, Energiebündel und feiner Kerl"
Stand: 28.10.2020 16:44 Uhr
In einer bewegenden Trauerfeier hat der Bundestag des plötzlich verstorbenen Vizepräsidenten Oppermann gedacht. Bundestagspräsident Schäuble würdigte seine großen Verdienste. Emotionale Worte wählte ein Genosse.
Von Ingo Bötig, ARD-Hauptstadtstudio
Ein großes Porträt von Thomas Oppermann hängt im Plenarsaal. Vor der Rednertribüne liegen weiße Blumengestecke. Gleich zu Beginn erheben sich Abgeordnete und Gäste zu Ehren des Verstorbenen. "Wir trauern um Thomas Oppermann, unseren langjährigen Kollegen und Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages", eröffnet Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.
Auf der Ehrentribüne haben auch Oppermanns Lebenspartnerin und drei seiner Kinder Platz genommen. Auch der frühere Bundespräsident Joachim Gauck, der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert und der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder sind gekommen. Schröder war ein enger Weggefährte von Oppermann. Er hatte ihn als Minister in die niedersächsische Landesregierung geholt.
In seiner Trauerrede würdigt Schäuble den Verstorbenen als Menschen und Politiker, der hohe Wertschätzung genossen habe - über die Fraktionsgrenzen hinweg. Für ihn war Oppermann "klar und loyal in seiner sozialdemokratischen Haltung, aber nie ideologisch, streitbar in der Sache, aber kompromissfähig, wenn es galt, pragmatische Lösungen zu finden. Pointiert und schlagfertig in der politischen Auseinandersetzung. Und herzlich im zwischenmenschlichen Umgang."
Große Verdienste für die Demokratie
Schäuble ist überzeugt, Oppermann habe sich in der parlamentarischen Demokratie große Verdienste erworben: "Unter seiner Regie führte Niedersachsen Intensivstudiengänge für Bildungseliten ein, ein bundesweites Novum. Und zum Verdruss nicht weniger auch in der eigenen Partei kämpfte Thomas Oppermann auch für Studiengebühren. Er war nie bloßer Parteisoldat. Und er sagte selbst über sich: Ich bin oft gegen den Strom geschwommen."
Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rolf Mützenich, würdigte Oppermann: "Er war ein Stratege, ein Gestalter, ein Energiebündel, ein feiner Kerl. Er wird uns fehlen." Der politische Einfluss war Oppermann kein Selbstzweck, so Mützenich weiter: "Sein Einsatz ergab sich vielmehr aus dem Gestaltungswillen: mehr Lebenschancen für mehr Menschen zu schaffen. Ein Leitmotiv war, dass sich soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Dynamik nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig bedingen und ergänzen. Oppermann stritt für einen starken vorsorgenden Sozialstaat, der Menschen nach Möglichkeit nicht dauerhaft versorgt, sondern ihnen hilft, auf eigenen Füßen zu stehen."
Mützenich versprach, seine Partei werde weiterführen, was Oppermann angestoßen und aufgebaut habe. "Er wird in unseren Herzen und Taten weiterleben."
Oppermann war am Sonntag völlig überraschend im Alter von nur 66 Jahren in Göttingen gestorben. Das Herz habe versagt. Mehr möchte und kann seine Familie zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Oppermann gehörte dem Deutschen Bundestag seit 2005 an. Er hinterlässt seine Lebensgefährtin und vier Kinder.
Gedenkfeier für verstorbenen Vizepräsidenten Thomas Oppermann
tagesschau 20:00 Uhr, 28.10.2020
Trauerfeier im Gedenken an Thomas Oppermann im Bundestag
Ingo Bötig, ARD Berlin
28.10.2020 15:57 Uhr
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