
IS-Rückkehrer Oliver N. Vom Terroristen zum Mahner
Stand: 03.12.2019 06:01 Uhr
Oliver N. schloss sich der IS-Terrormiliz in Syrien an, kehrte aber in seine österreichische Heimat zurück. Nach seiner Haftstrafe berichtet er von seinen Erfahrungen, um andere zu warnen.
Von Mariam Noori und Lisa Maria Hagen, NDR
Nach seiner Haft spricht der IS-Rückkehrer Oliver N. zum ersten Mal offen vor der Kamera über seinen Wunsch, wieder Teil der Gesellschaft zu werden. Er könne das Misstrauen der Menschen verstehen, sagt der Österreicher im NDR Fernsehen.
Ihm sei bewusst, man könne nicht in ihn hineinsehen. Aber er wolle zeigen, dass er wieder zurückgefunden habe. Deshalb spreche er offen über seine Geschichte und zeige sein Gesicht, auch wenn er Angst vor Rache habe. "Das, was ich getan habe, habe ich getan. Ich übernehme die Verantwortung dafür", so Oliver N.
Mit 16 Jahren nach Syrien
Oliver N. hatte sich als 16-Jähriger der IS-Terrormiliz angeschlossen. Während seiner fast sieben Monate in Syrien sorgte er vor allem durch ein Propagandavideo für Aufsehen, in dem er zum Terror aufrief. "Ich will euch dazu einladen, auch die "Ungläubigen" zu schlachten", wie er damals in die Kamera sprach.
Kampfhandlungen konnten dem Österreicher nicht nachgewiesen werden. Für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wurde er zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.
N. schämt sich heute
Über seine Zeit beim IS spricht Oliver N. heute mit Scham. Nur "Monster" würden dorthin gehen. Nach eigenen Angaben sah er als Jugendlicher während seiner Zeit in Syrien schätzungsweise 50 Tote. Die ersten Toten, die er 2014 in Syrien gesehen hat, seien vom IS geköpft und zur Schau auf ein Podest gelegt worden. Die Terroristen hätten die Leichen der getöteten syrischen Soldaten anschließend mit dem Auto durch die Stadt gezogen. Er selber habe jedoch niemals jemanden verletzt, auch wenn ihn Fotos beim Posieren von Waffen zeigen.
Eher zufällig zum Islamismus gefunden
Oliver N. begründet seine Anfälligkeit für den radikalen Islamismus mit seinen desolaten Familienverhältnissen. Er sei als ehemaliges Heimkind "völlig verloren" gewesen und habe starke Gemeinschaften gesucht. "Wäre eine rechtsradikale Gruppe gekommen, dann wäre ich Nazi geworden", so Oliver N.
Seine Anwerber zeigten ihm Propagandavideos, in denen IS-Kämpfer sich als heldenhafte Retter des unterdrückten syrischen Volkes darstellten. Warum wollte er einer von ihnen werden? "Gehirnwäsche", meint Oliver N.
N. warnt heute andere
Heute teilt der Österreicher seine Geschichte und sein Insiderwissen. In Österreich und Deutschland spricht der Rückkehrer vor Politikern, Polizisten und Schülern und berichtet von den Gefahren radikaler Anwerber.
Mehr als 5000 Westeuropäer sind für den IS nach Syrien gegangen. Viele sind im Krieg gestorben, viele werden zurückkommen. Sie werden, wie Oliver N., wieder arbeiten wollen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Auf die Frage, warum er sein Gesicht nun zum ersten Mal offen vor der Kamera zeigt, erklärt Oliver N., er wolle einen Teil Wiedergutmachung leisten, auch wenn er ein großes Risiko eingehe. In der islamistischen Szene gelte er als Verräter. "Aber ich möchte diesen Schritt gehen, um zu zeigen, dass ich mich nicht mehr verstecke. Dass ich offen zu meiner Geschichte stehe." .