Kommentar
Nach gescheitertem Eilantrag Fall Kalbitz bringt viele in Bedrängnis
Stand: 21.08.2020 16:32 Uhr
Erst der Boxhieb gegen einen Parteifreund, nun der gescheiterte Eilantrag gegen den Parteiausschluss: Politisch ist Andreas Kalbitz vorerst kaltgestellt. Aber auch andere in der AfD haben ein Problem.
Ein Kommentar von Kai Küstner, ARD-Hauptstadtstudio
Mit einem - wohl unbeabsichtigten - Boxhieb auf die Milz hatte Andreas Kalbitz einen Parteifreund vor wenigen Tagen ins Krankenhaus befördert. Und sich damit - politisch gesehen - selbst ins Taumeln gebracht. Nun also die Entscheidung des Berliner Landgerichts, die für den AfD-Rechtsausleger nicht weniger als den politischen K.o. bedeuten könnte.
Kalbitz hat in den vergangenen Tagen eine für ihn ziemlich ungewohnte Erfahrung gemacht: Kaum jemand traute sich, dem Ex-Landeschef der AfD in Brandenburg wirklich beizuspringen. Die Sache mit dem angeblich als Begrüßungs-Knuff gemeinten Faustschlag, den Kalbitz einem Mitstreiter verabreichte, wurde selbst Unterstützern zu heiß: Fraktionskollegen rückten von ihm ab.
"Bitte geh!" waren noch die nettesten Worte
Ziehvater Alexander Gauland nannte den Vorgang "unverzeihlich". Auch "Flügel"-Freund Björn Höcke schwieg sich - fast ohrenbetäubend - aus. Es gab also in den letzten Tagen auffällig wenige, die dem bereits angeschlagen in den Seilen hängenden Frontmann der Parteirechten Luft zugefächelt hätten. Stattdessen nutzten Gegner die Gunst der Stunde zur Abrechnung: "Bitte geh!" sind noch die nettesten zwei Worte, die AfD-Landtagsmitarbeiter Kai Laubach in einem viel zitierten Facebook-Eintrag an die Adresse von Kalbitz richtet. Er wirft ihm weitere Gewaltausbrüche vor und lässt seinen verbalen Tiefschlag in den Satz münden: "Du bist Parteikrebs, Junge."
Hielten es Kalbitz-Kenner bisher nicht für ausgeschlossen, dass sich der Ex-Bundeswehrsoldat trotz allem noch einmal auf die Polit-Bühne zurückgekämpft hätte, wird das mit der jetzigen Gerichtsentscheidung so gut wie unmöglich. Kalbitz kann nun erstmal nicht in die Partei zurück. Und damit auch keine Ämter bekleiden, die ihm öffentliche Aufmerksamkeit garantieren. Ganz ohne körperliche Fremdeinwirkung droht der AfD-Mann also politisch k.o. zu gehen.
Ein Problem für die Parteirechten
Was für Kalbitz eine Katastrophen-Woche war, ist auch ein Problem für Partei-Übervater Alexander Gauland, der stets seine schützende Hand über Kalbitz gehalten hatte. Und ein Problem für den - offiziell aufgelösten - rechtsextremen "Flügel" ist es sowieso: War doch Thüringens AfD-Chef Höcke stets gern mit Kalbitz im Polit-Tandem unterwegs. Die Arbeitsteilung - hier der stets vom Untergang Deutschlands raunende Höcke, dort der hinter den Kulissen Netzwerke schmiedende Kalbitz - hatte aus Sicht der Parteirechten bislang funktioniert.
All jenen, die aus der AfD eher eine bessere NPD machen wollen, hat der Fall Kalbitz also eindeutig geschadet. Was keineswegs heißt, dass sie geschlagen auf den Brettern lägen.
In der AfD wird keine Ruhe einkehren
Vor zwei Trugschlüssen sollten wir uns hüten: Zum einen, dass sich das rechtsextreme Gedankengut wie bei einer Art exorzistischer Geisteraustreibung unkompliziert aus der AfD entfernen ließe, indem man sich Andreas Kalbitz als das vermeintlich personifizierte Böse herauspickt und dessen Parteimitgliedschaft für nichtig erklärt.
Zum anderen sollte niemand glauben, dass in der AfD nun rasch Ruhe einkehrt. Wie heftig, wie erbittert, wie hasserfüllt die beiden Lager innerhalb der AfD um die Parteiseele kämpfen und wie sie verbal miteinander umspringen, das hat der Fall Kalbitz offen zutage treten lassen. Um Unruhe und Chaos zu stiften, hätte es eines unvorsichtigen Boxhiebes gar nicht bedurft.
Kommentar zu Kalbitz: Auf die Zwölf
Kai Küstner, ARD Berlin
21.08.2020 15:44 Uhr
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