Kommentar

Corona-Infektion Bolsonaros Kein Anlass zur Schadenfreude
Stand: 08.07.2020 07:35 Uhr
Bleibt dem mit Corona infizierten Präsidenten Brasiliens die Intensivstation erspart, wird er die Pandemie weiter kleinreden, meint Ivo Marusczyk. Doch eine Verharmlosung ist furchtbar, denn viele Brasilianer folgen seinem Beispiel.
Ein Kommentar von Ivo Marusczyk, ARD-Studio Buenos Aires
Die Pandemie kleinreden - das ist seit Wochen die Hauptbeschäftigung von Jair Bolsonaro. Wenn er nicht gerade Ermittlungen gegen seine Söhne behindert. Bolsonaro hat Corona noch nie ernst genommen, als kleine Grippe verharmlost, immer wieder demonstrativ Läden besucht, Selfies mit seinen Fans geschossen und sie dabei gern noch umarmt.
Jetzt hat es auch ihn erwischt. Doch es gibt nicht den geringsten Grund zur Schadenfreude - und zwar nicht nur aus edler Gesinnung, sondern weil es ziemlich wahrscheinlich ist, dass diese Infektion Bolsonaro noch nützen könnte.
Gleich nach dem Testergebnis trat ein scheinbar entspannter Präsident vor die Kameras und betonte, wie gut er sich fühle. Damit setzt er schon mal den Ton für die nächsten Wochen.
Präsident gehört zur Risikogruppe
Bolsonaro gehört zwar zur Risikogruppe - nach einem Messerstich vor zwei Jahren ist seine Gesundheit angeschlagen. Trotzdem stehen die Chancen ja gut, dass er die Krankheit einigermaßen übersteht.
Und wenn er nicht - wie Boris Johnson - auf der Intensivstation landet, dann ist die Infektion noch Wasser auf den Mühlen von Jair Bolsonaro. Er wird sich darin bestätigt fühlen, dass die Krankheit meistens nur wie eine gripezinha, eine kleine Grippe, verläuft. Er wird sich selbst als Beispiel für die Harmlosigkeit der Infektion präsentieren und als Bestätigung für seinen Kurs, alle Sperren und Schließungen strikt abzulehnen. Nichts deutet darauf hin, dass er Corona jetzt, wo er selbst betroffen ist, endlich ernst nehmen würde.
Hiobsbotschaft für das gebeutelte Land
Und das sind furchtbare Nachrichten für das von Corona gebeutelte Land. Denn jedes Mal, wenn der Präsident dazu aufruft, Corona locker zu nehmen, folgen ihm viele Brasilianer. Sie nehmen die Masken ab, werden unvorsichtig.
Deswegen ist die Nachricht, dass Bolsonaro selbst sich angesteckt hat, kein Grund zur Schadenfreude, sondern eine weitere Hiobsbotschaft für Brasilien. Und vielleicht sogar für Deutschland - denn auch hier wird sich mancher Populist bestätigt fühlen, wenn Bolsonaro nicht allzu schwer erkrankt.
Bolsonaro bleibt auch nach Corona-Befund bei seinem Kurs
Ivo Marusczyk, ARD Buenos Aires
08.07.2020 06:55 Uhr
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