
Südostasien Corona macht die Autokraten nervös
Stand: 03.04.2020 09:11 Uhr
Der sprunghafte Anstieg der Corona-Infektionen in Südostasien zeigt die Defizite der Gesundheitssysteme vieler Staaten. Auf Kritik reagieren einige Autokraten nervös und greifen hart durch.
Von Holger Senzel, ARD-Studio Singapur
Soldaten in silbernen Schutzanzügen besprühen die Straßen Bangkoks mit Desinfektionsmitteln. Knapp 1800 Covid-19-Fälle sind - so der Stand am Freitagvormittag - in Thailand registriert. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südostasiens ist abhängig von Touristen wie kein anderes Land der Region und schlittert in die wirtschaftliche Katastrophe.
Kritiker landen hinter Gittern
Premier Prayut Chan Ocha, der sich 2014 mit der Armee an die Macht putschte, wird zusehends nervös. Wer kritisch über sein Krisenmanagement spricht, landet schnell hinter Gittern. So wie der Künstler Danai Ussama, der vor zwei Wochen von Barcelona zurück nach Hause flog. Er wunderte sich, dass er am Flughafen Bangkok nicht auf das Coronavirus getestet wurde und postete dies auf Facebook. Kurze Zeit später wurde er verhaftet, erzählt Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch:
"Thailand sollte ihm eigentlich dankbar sein, dass er auf ein Problem aufmerksam gemacht hat, und ihn nicht einsperren. Aber Thailand spielt - wie andere autokratische Systeme in Südostasien auch - das fake-news-Spiel. Alles, was der Regierung nicht gefällt, ist falsch."
Kambodscha: schnelle Festnahmen
Im Nachbarland Kambodscha benutzt Regierungschef Hun Sen das Virus, um verstärkt Oppositionelle zu verfolgen. Unter den Festgenommenen war auch ein Mädchen, das sich auf Facebook um mögliche Corona-Infektionen an seiner Schule sorgte. Die 14-Jährige musste sich öffentlich entschuldigen. Andere wurden in überfüllte Zellen gesteckt, empört sich Menschenrechtler Robertson:
"Jemanden in diesen Zeiten in ein überfülltes kambodschanisches Gefängnis zu stecken, heißt, ihn dem Coronavirus geradezu anzubieten. Aber das ist Premier Hun Sen egal. Er hat Corona erst geleugnet und sieht jetzt, dass sein Gesundheitssystem komplett damit überfordert ist."
Philippinen: Erschießung bei Zuwiderhandlung
Auch auf den Philippinen hat der Präsident den Notstand erklärt und regiert mit diktatorischen Vollmachten. Rodrigo Duterte, in dessen blutigem Anti-Drogenkampf die Philippinen sich als Rechtsstaat bereits weitgehend verabschiedet hatten, verhängte eine rigide Ausgangssperre über den 105-Millionen-Einwohner-Inselstaat. Und droht bei Zuwiderhandlung öffentlich mit Erschießung:
"Meine Befehle an Polizei und Militär sind klar: Wenn sie Euch Probleme machen und gar Euer Leben gefährden, schießt sie tot." Und weiter droht er: "Habt Ihr das verstanden? Bevor Ihr mir Probleme bereitet, werde ich Euch beerdigen."
Zur Strafe in Käfige oder in Särge
Hunderte Menschen wurden auf den Philippinen willkürlich festgenommen. Einige mussten in Hundekäfigen in der prallen Sonne ausharren oder wurden zur Abschreckung gar in Särge gesteckt.
Das Grundmuster in all diesen Ländern sei gleich, meint Robertson: Mit der Corona-Krise überforderte Autokraten versuchten die Schuld auf andere abzuwälzen. Der Schaden für die Menschenrechte aber werde das Virus in Südostasien lange überleben.
Stunde der Autokraten - Corona und Menschenrechte in Südostasien
Holger Senzel, ARD Singapur
03.04.2020 07:40 Uhr
Audio
Weitere Meldungen aus dem Archiv vom 03.04.2020
- Alle Meldungen vom 03.04.2020 zeigen