
Verkauf der Supermarktkette real-Mitarbeiter müssen weiterzittern
Stand: 19.02.2020 15:51 Uhr
Der Verkauf der real-Kette ist besiegelt, doch für die Mitarbeiter geht die Ungewissheit weiter. Denn der Finanzinvestor SCP ließ durchblicken: Das Filialnetz soll zerschlagen werden.
Von Jörg Marksteiner, WDR
Noch wird bei real eingeräumt, bedient und kassiert wie immer. Auch wenn die Verkaufsverträge nach monatelangen Verhandlungen jetzt unterschrieben sind: Für Kunden und die betroffenen 34.000 Mitarbeiter läuft vorerst alles weiter wie bisher. Aus Verhandlungskreisen heißt es, wahrscheinlich wird es noch bis zum Sommer dauern, bis alle Formalitäten erledigt sind. Erst dann wird der neue russische Finanzinvestor SCP auch im Alltagsgeschäft von real das Kommando übernehmen.
Danach soll es real in der heutigen Form aber nicht mehr lange geben. SCP will die aus früheren Marken wie Divi, Suma, Wertkauf und Allkauf zusammengewachsene Kette von Groß-Supermärkten faktisch zerschlagen. Von den aktuell 276 Filialen wird nur ein Kern von 50 real-Märkten übrig bleiben, mindestens zwei Jahre lang. Wie es danach weitergeht, etwa wenn Mietverträge auslaufen, ist offen. Entsprechend groß sind die Sorgen bei den Kassiererinnen, Verkäufern und Beschäftigten in der Verwaltung.
Metro AG verkauft Supermarktkette real
tagesschau 20:00 Uhr, 19.02.2020, Jens Eberl, WDR
Großteil der Standorte wird verkauft
An den meisten real-Märkten soll irgendwann ein neues Logo hängen. Den Großteil der Standorte will SCP an Wettbewerber wie Edeka, Kaufland und andere weiterverkaufen. Vermutlich werde es Pakete mit lukrativen und weniger attraktiven Filialen geben, sagen Insider. Überdurchschnittlich große real-Märkte könnten zudem aufgeteilt werden. Jeder Verkauf muss aber vom Kartellamt einzeln geprüft und genehmigt werden. Den Mitarbeitern droht damit eine monatelange Ungewissheit, was aus "ihrem" Markt wird.
Alle wissen aber auch: Filialen, für die sich am Ende niemand interessiert, sollen geschlossen werden. Bis zu 30 Märkte könnte es treffen, heißt es bei der Metro. Bei 100 bis 120 Mitarbeitern pro Markt wären um die 3000 Beschäftigte betroffen. Sorgen um ihre Jobs machen sich zudem die 1300 Mitarbeiter in der Düsseldorfer Hauptverwaltung: "Die Zentrale wird sich mit der Zeit auflösen", fürchtet ein Betriebsrat. "Ab Oktober wird es wohl losgehen. Da werden viele Tränen fließen."
Betriebsräte gehen davon aus, dass der volle Umfang des Stellenabbaus erst nach und nach sichtbar wird. Von einem "bitteren Tag für die Beschäftigten" spricht auch die Gewerkschaft Verdi: "Das Metro-Management lässt sich für die Vernichtung von wahrscheinlich mehr als 10.000 Arbeitsplätzen feiern", sagt Verdi-Vorstand Stefanie Nutzenberger.
Metro-Chef Olaf Koch hatte den Mitarbeitern zugesagt, sie vertraglich so gut wie möglich abgesichert zu haben: "Es ist sichergestellt, dass bei Standortübergaben die Kolleginnen und Kollegen mit ihren gültigen Verträgen rübergehen." Kommt es zu Kündigungen, erhalten die Mitarbeiter Mindestabfindungen. Laut Betriebsrat maximal 12 bis 14 Monatsgehälter - was angesichts der Einkommen im Einzelhandel aber keine großen Summen seien.
Kette kämpft seit Jahren mit Problemen
Für die Metro ist der real-Verkauf "der letzte Schritt" auf dem Weg zum reinen Großhändler, sagt Firmenchef Koch. Der ehemals größte deutsche Handelskonzern hat sich schon seit Jahren von vielen Einzelhandelstöchtern getrennt, etwa von Kaufhof, Praktiker, Adler sowie von MediaMarkt und Saturn. Für real und 80 ebenfalls verkaufte Immobilien bekommt er jetzt rund 300 Millionen Euro, weniger als ursprünglich erwartet.
Schon seit 2018 hatte die Metro versucht, real zu verkaufen. Die Kette kämpft seit Jahren mit Problemen. Metro-Chef Koch sieht einen Grund in den jahrelang gezahlten Tarifgehältern. Man habe bis zu 30 Prozent höhere Kosten als Wettbewerber gehabt. Deshalb stieg real gegen den Widerstand der Gewerkschaft aus der Tarifpartnerschaft mit Verdi aus. Neue Mitarbeiter werden seitdem niedriger entlohnt.
Einzelhandelsexperten sehen auch strukturelle Probleme: Viele Kunden fahren heute lieber in nahe gelegene, modernisierte Supermärkte und Discounter als in die oft außerhalb gelegenen, riesigen real-Märkte mit ihren 60.000 Artikeln. Dazu kommt: Bei real wird traditionell viel "Nonfood" verkauft: Kleidung, Elektrogeräte, Haushaltswaren - alles Artikel, die besonders unter der Onlinekonkurrenz leiden.
Real-Verkauf perfekt?
Jörg Marksteiner, WDR
19.02.2020 14:57 Uhr
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