
Scholz-Plan nach Wirecard Gut - aber nicht gut genug?
Stand: 24.07.2020 16:57 Uhr
Finanzminister Scholz will schnell Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal ziehen - Opposition und Union gehen die Pläne aber nicht weit genug. Scholz muss jetzt handeln, denn Wirecard könnte sogar Folgen für die K-Frage in der SPD haben.
Finanzminister Olaf Scholz will möglichst schnell Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal ziehen. Bereits gestern wurde bekannt, dass der SPD-Politiker gleich ein ganzes Maßnahmenbündel zur Kontrolle des Finanzsektors auf den Weg bringen will, damit sich Luftbuchungen in Milliardenhöhe wie beim Bezahldienst Wirecard nicht wiederholen.
Kern der Gesetzesvorhaben, die nach dem Willen Scholz' bereits Anfang kommenden Jahres verabschiedet werden sollen, ist die Reform der Finanzaufsicht BaFin. Die Behörde soll künftig gegenüber Unternehmen deutlich robuster auftreten dürfen und dafür mehr Befugnisse bekommen. So ist vorgesehen, dass die Behörde künftig direkt eingreifen kann. Das bisherige zweistufige Verfahren mit einer Vorschaltung der privat-rechtlichen Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung soll abgeschafft werden, hat es sich doch im Fall Wirecard als wenig tauglich erwiesen. Für die neuen, erweiterten Aufgaben, soll die BaFin personell besser ausgestattet werden.
Scholz' Reformvorschläge nach Wirecard-Skandal
tagesthemen 21:45 Uhr, 24.07.2020, Thomas Kreutzmann, ARD Berlin
Begeisterung für Scholz-Plan hält sich in Grenzen
Union und Opposition gehen Scholz Pläne allerdings nicht weit genug: Zwar sei man in der Unionsfraktion offen für die Vorschläge des Koalitionspartners, aber diese reichten nicht aus, sagte der Finanzobmann der Union, Hans Michelbach. "Wir müssen ohne Zweifel zügig nachrüsten. Allerdings bleibt der Finanzminister dabei an sehr vielen Punkten unkonkret", erklärte Michelbach.
Auch die Grünen begrüßen, dass sich Scholz "bei der Fehlerkorrektur ins Zeug legt". Das erwarte seine Partei aber auch bei der politischen Aufklärung des Skandals, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz: "Wenn man etwas korrigieren möchte, muss man doch genau wissen, wo, warum und wie Fehler passiert sind."
Der Partei "Die Linke" reichen die von Scholz geplanten Instrumente nicht aus: "Deutschlands chronische Probleme mit der Finanzaufsicht erfordern weitere Maßnahmen", mahnte deren stellvertretender Vorsitzender Fabio Di Masi. Und von der FDP kam Fundamentalkritik am Finanzminister: Scholz' Aktionsplan diene vor allem dazu, die Bundesregierung nach ihren "vielen Versäumnissen und Fehlern im Fall Wirecard politisch aus der Schusslinie zu bringen", erklärte FDP-Finanzexperte Florian Toncar.
Konsequenzen für die K-Frage?
Tatsächlich hat der Wirecard-Skandal die Bundesregierung in einige Erklärungsnot gebracht. Derzeit ist völlig unklar, ob sie nicht sogar Wirecard unterstützt hat, obwohl der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bereits im Raum stand. Und auch Scholz selbst setzt das Debakel erheblich unter Druck - es könnte Folgen für seine politische Zukunft haben - Stichwort SPD-Kanzlerkandidatur.
Denn Scholz ist der derzeit mit Abstand beliebteste SPD-Politiker. Und so stärkten heute gleich mehrere führende Sozialdemokraten - wohl auch mit Blick auf die weiter schlechten Umfragewerte der SPD - Scholz demonstrativ den Rücken. "Bei den Schwierigkeiten, die die CDU erkennbar bei der Suche nach einem Kandidaten hat, könnte ich mir vorstellen, dass es nützlich wäre, sich auf eine Kandidatur von Olaf Scholz festzulegen", sagte Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann dem Portal "The Pioneer". Ähnlich äußerte sich Fraktionsvize Achim Post. Und auch vom konservativen Seeheimer Kreis kam ein klares "Ja" zu einem Kanzlerkandidaten Scholz.
Eine Entwicklung, die für bei der linken Parteichefin Saskia Esken und ihrem Co Norbert Walter-Borjans auf wenig Gegenliebe stoßen, aber nur schwer aufzuhalten sein dürfte. Denn in den vergangenen Wochen hatten sich immer wieder führende Sozialdemokraten für einen Kanzlerkandidaten Scholz ausgesprochen - unter ihnen mächtige Genossinnen und Genossen wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
Erstmal Finanzausschuss
Und auch Scholz selbst hat in der Vergangenheit wenig Zweifel daran gelassen, dass er sich Kanzler zutraut. Dafür aber muss er zunächst den Wirecard-Skandal überstehen. Kommende Woche muss der Finanzminister gemeinsam mit Kollege Peter Altmaier aus dem Wirtschaftsressort dem Finanzausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen. Ein Termin, der unangenehm werden könnte, denn die Abgeordneten wollen genau wissen, seit wann die Regierung von Unregelmäßigkeiten beim DAX-Konzern Wirecard wusste, was sie unternommen und was sie nicht unternommen hatten.
Scholz will Kontrolle des Finanzsektors verbessern
Alfred Schmit, SWR
24.07.2020 09:31 Uhr
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